Chronik

Chronik 

Steinmetz- und Bildhauergeschichte
der Familie und Firma Wirtz-Sondermann

75 Jahre
Steinmetz-
und Bildhauer-
geschichte

75 Jahre Wirtz-Sondermann

Es begann lt. Gewerbeanmeldung am 14.10.1925 in Duisburg-Neudorf. Der Architekt Matthias Wirtz aus Oberhausen gründete an der Gabrielstraße ein Architektur- und Zeichenbüro und befasste sich u.a. auch mit der Herstellung und dem Verkauf von Grabsteinen.

1927 übernahm sein Bruder, der Steinmetzmeister Eduard Wirtz, die Firma und verlegte sie nach Duisburg-Wanheimerort, Zum Lith 144, und firmierte unter "Grabmalkunst Eduard Wirtz".

Eine weitreichende und richtige Entscheidung, denn der Waldfriedhof an der Düsseldorfer Straße wurde Hauptfriedhof in Duisburg, mit ca. 65 ha Größe. Die ersten Beerdigungen wurden 1925 durchgeführt. Es waren Jahre die von einer insgesamt katastrophalen wirtschaftlichen Lage gekennzeichnet waren. Es war kaum Arbeit vorhanden und die Inflation blühte. 10 Millionen Menschen in Deutschland waren ohne Arbeit und das Chaos endete mit dem Niedergang der Weimarer Republik.


Die anschließende Zeit mit ihren verheerenden Folgen für uns alle möchte ich nicht weiter beschreiben. Entscheidend war, dass durch die Heirat von Luise Sondermann mit dem Inhaber Eduard Wirtz die 2. Familie in die Firma kam. Luisa Wirtz hatte einen großen Anteil an der weiteren Entwicklung. Die Werkstatt wurde vergrößert, kleinere Steinbearbeitungsmaschinen wurden angeschafft und erleichterten die handwerklichen Steinmetzarbeiten. Sie übernahm die kaufmännische Leitung und gab dadurch wesentliche Impulse, so dass die Firma sich weiter entwickelte und dann auch Steinmetzlehrlinge ausgebildet wurden.
Hier ist insbesondere an Heinrich Figge und Franz Hommerssom zu denken. Beide waren über Jahrzehnte führende Mitarbeiter in der Firma, wobei gerade Heinrich Figge ab 1952 nach dem Tode von Eduard Wirtz die Firma als Betriebsleiter führte.
Aber davon später.
Rathaus Duisburg

Duisburger Hof
Zur Grabsteinherstellung kam verstärkt die Arbeit auf dem Bausektor. Bis zum Ausbruch des Krieges sind hier besonders zu erwähnen die Arbeiten an der Canisius-Kirche (Altar), am Rathaus Duisburg, am Stadthaus, am Duisburger Hof, um nur einige Baumaßnahmen zu nennen. 

Unter anderem führte Eduard Wirtz als Obermeister die Steinmetzinnung Duisburg. Zukunftsorientiert fusionierte er mit der Innung Oberhausen/Mülheim/rechter Niederrhein bis nach Emmerich. Er vollzog schon 1935 das, was heute von den Handwerksorganisationen - größere Innungseinheiten - angestrebt wird.


Eines ist noch erwähnenswert: 

Auf Anordnung der Parteiführung sollte das jüdische Gräberfeld aufgelöst und die Grabsteine zu anderen Verwendungen (Baumaterial usw.) abgeräumt werden. 

Eduard Wirtz hat sich als Obermeister dagegen gewehrt mit dem Erfolg, dass die Steine noch heute an dem ihnen gehörenden Platz stehen. 

Überlieferter Ausspruch:
"Ich vergreife mich nicht an Kulturgütern von Menschen."
Die Zerstörung
Der Beginn des Krieges verschonte auch den Betrieb nicht. Die Gesellen wurden nach und nach zur Wehrmacht eingezogen. Nicht verschont von den Bomben blieben Werkstatt und Büro, die 1945 zerstört wurden. Auch Eduard Wirtz musste noch mit 46 Jahren im Januar 1945 in den Krieg. Schwer verletzt wurde er Ende Mai 1945 aus dem Lazarett entlassen.

Das große Glück: Bis auf einen Mitarbeiter kamen die vier übrigen Mitarbeiter wieder aus den Gefangenschaften nach Hause. 
Der Neuanfang begann. Es wurde gebaut, getauscht, und der Schwarzmarkt blühte.
Um zu überleben waren fast alle Mittel recht. Zuerst bekam der Betrieb ein neues Dach. Aus alten Wasserrohren, Hanfsäcken und gesammelten Latten wurde die Werkstatt regendicht gemacht. Die fehlenden Wände wurden mit alten Kunststeinen und Wegeplatten gemauert. Das Büro war direkt neben der Wandarmschleifmaschine und Omas alter Tisch war gleichzeitig Schreibtisch und Zeichenbrett.
Notbüro
Es war eine bitterarme Zeit, aber mit neuen Perspektiven. Das Beste war, dass wieder Arbeit vorhanden war.

Der erste größere Bauauftrag von der englischen Militärbehörde war von Mai bis August 1945 die Herstellung der Strompfeiler (aus Granit gearbeitet) der zerstörten Hochfelder Rheinbrücke.

Diese Aufbauarbeiten waren ein Signal für die Menschen in der Region Duisburg und linker Niederrhein und bedeuteten ein Stück zurückgewonnener Freiheit.

Im Juni 1945 wurde mit dem Wiederaufbau der zerstörten Hochfelder Rheinbrücke begonnen, woran auch die Firma Eduard Wirtz beteiligt war. Die Strompfeiler, aus Naturstein hergestellt, wurden wieder steinmetzmäßig eingebaut.

Ein Privileg: Die Firma hatte wieder ein Auto mit Anhänger zur Verfügung, um die Materialien und andere Dinge zu transportieren. Diese Bauarbeiten waren wichtig, um wieder den linken Niederrhein an Duisburg anzubinden.

Diese Hochfelder Brücke wurde für den Wiederaufbau als Symbol der menschlichen Freiheit angesehen.

Allmählich wurde es in der Werkstatt zu eng. Man überlegt, den Betriebssitz zu vergrößern und die Idee, ein anderes Grundstück zu erwerben wurde in die Tat umgesetzt.

1948 wurde an der Düsseldorfer Straße ein passendes und größeres Betriebsgelände gefunden. Entscheidend war, dass dort auch schwere Steinbearbeitungsmaschinen aufgestellt werden durften. Das war die 3. Betriebsverlagerung, eine Entscheidung, die sich bis heute als richtig herausstellt. Zwei Jahre lang wurden mit z.T. eigenen Mitarbeitern eine Werkstatt aufgebaut. Büro- und Wohnräume im Bungalowstil folgten. Leider waren dies auch die letzten Arbeiten und Impulse, die Eduard Wirtz der Firma geben konnte. Er starb 1952 auch an den Folgen seiner Kriegsverletzungen, mit 53 Jahren, ein hervorragender Steinmetzmeister und ein verständnisvoller Chef.

Nun lag die betriebliche Verantwortung alleine in den Händen von Luise Wirtz. Man kann es als sehr gutes Betriebsklima bezeichnen: Alle Mitarbeiter blieben der Firma treu.

An dieser Stelle muss man auch noch an zwei Mitarbeiter denken: 

Heinrich Wimmer, als kaufmännischer Mitarbeiter und eben an Heinrich Figge, einen der ersten Lehrlinge der Firma aus dem Jahre 1933. 

Ihm oblag jetzt die Führung der Werkstatt.
  • Wie sah jetzt die weitere Entwicklung und Perspektive der Firma aus?


    Der Familienrat tagte. Da die Ehe der Inhaber kinderlos geblieben war, wurde der einzige Neffe der Familie, Karlheinz Sondermann, gefragt, ob er Steinmetz werden wollte. Es war eine kurze Überlegung und eine schnelle Entscheidung. 1953 trat er als Lehrling in die Firma ein. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, damit ist eigentlich alles umschrieben.

    1956 wurde die Gesellenprüfung mit "sehr gut" bestanden.
    Lehrmeister Heinrich Figge und Lehrling Karlheinz Sondermann

    Das sogenannte Wirtschaftswunder in Westdeutschland war jetzt überall sichtbar. Der Bauschutt war weggeräumt, die Ruinen vom Krieg demontiert, und es wurde an allen Ecken gearbeitet. Auch die Firma baute aus. Das Haus bekam einen 1. Stock mit Dach und eine 2. Wohnung.

    Dazu ein Ereignis von besonderer Art: Das Haus bekam eine Heizung. Eine Freude für die Lehrlings. Jetzt entfiel das tägliche Ofen-Anmach-Ritual. Es ist für heutige Verhältnisse nicht mehr vorstellbar, wie 10m Ofenrohr die Werkstatt beheizten. Richtig warm wurde es nie, dafür stank es immer furchtbar. 

    Ein neuer LKW wurde angeschafft, ein gebrauchter Volvo, 3 Jahre alt. Der Anhänger hatte ausgedient. Dies war der sichtbare Erfolg der expandierenden Firma. Die Gesellen waren mächtig stolz: Das war ihr Fahrzeug, ganz allein. Samstagnachmittag wurde es auf Hochglanz gebracht. Wer den Wagen fahren durfte, wurde jede Woche per Los ermittelt.

    In der Familie wurde ein Ereignis gefeiert:
    Karlheinz Sondermann hatte nach 2-jähriger Abendschule in Düsseldorf 1961 die Meisterprüfung als Steinmetz- und Steinbildhauermeister mit der Gesamtnote "gut" bestanden.

    Ein Jahr später wurde er Teilhaber in der Firma, ohne eigenes Kapital, aber mit dem Willen, den Betrieb zu führen und ihn auch zu vergrößern.

    Maschinelle Investitionen wurden vorgenommen, eine moderne Steinsäge und eine Wandarmschleifmaschine wurden angeschafft, später eine Pressluftanlage und ein Schleifautomat.

    Ein Stapler erleichterte die Arbeit, aber dien Revolution kam mit den Pressluftwerkzeugen. Es war aber auch eine Revolution innerhalb der Steinmetze. Die Handarbeit wurde zwar nicht abgelöst, aber doch sehr erleichtert. 

    Alt-Geselle Klaus Zielske


    Es kam den Gesellen zu Gute, aber ein Stück romantisches Steinmetzhandwerk mit Holzknüppel und Eisenschlägel, mit oft im Takt der Handarbeit gesungenen Liedern, war vorbei.


    Ein weiterer Bauabschnitt begann:

     Die rein maschinelle Arbeit wurde von der feineren Handarbeit getrennt. 


    Das Prinzip der Firma ist und bleibt: Die Maschinen und Werkzeuge dort einzusetzen, wo sie wirkungsvoll sind, sich aber nicht von den Maschinen programmieren zu lassen.

    Im kaufmännischen Bereich bekam die Firma eine weitere Mitarbeiterin. Die Ehefrau von Karlheinz Sondermann, Helga Sondermann, trat als Buchhalterin in die Firma ein. 

    1964 und 1966 wurden die Kinder Dörte und Arnd geboren und vergrößerten die Familie.

    Und es wurde wieder gebaut: Die Firma erwarb von der Stadt Duisburg hinter dem Betrieb eine Fläche von 800m². Zwei weitere Atelier-Räume wurden angegliedert. Jetzt war endlich die maschinelle Werkstatt von der handwerklichen Fertigung getrennt. Und immer wieder wurde in Maschinen und Werkzeuge investiert.

    Neben der Führung des Betriebes stellte sich Karlheinz Sondermann auch in den Dienst des Ehrenamtes. Zuerst als stellvertretender Obermeister, ein Jahr später (1967) als Obermeister der Innung.

    Zu erwähnen wäre seine Wahl 1970 zum Landesinnungsmeister. Er krempelte die althergebrachte Schule und Ausbildungsordnung für sein Handwerk um und sorgte im Land NRW für Bezirksfachklassen in Düsseldorf, Bonn, Köln und Aachen und baute mit eigenen Mitteln des Landesinnungsverbandes eine überbetriebliche Ausbildungsstätte, die 1972 ihren Unterricht für alle Steinmetzlehrlinge in Nordrhein aufnahm.

    Die erste Schule dieser Art für das gesamte deutsche Steinmetzhandwerk. In der Erweiterung 1980 wurde eine Tages-Meisterschule angebaut,  Schulungsmaßnahmen für Arbeitslose werden seit 1985 durchgeführt.
    Drei Mann am Werk: Brunnenanlage für die NWG
    Sägearbeiten an einem Baustück für die Frauenkirche in Dresden

    Die Firmenjahre liefen weiter.

    Eine freudige Botschaft war es, als Arnd Sondermann nach einer externen Besichtigung des Kölner Doms und der Dombauhütte erklärte: 

    Das möchte ich auch machen!

    1983 trat er die Lehre am Kölner Dom an. 
    Nach drei Jahren Lehrzeit wurde er mit seinem Gesellenstück Kammersieger, Landes- und Bundessieger und vertrat das Deutsche Steinmetzhandwerk bei der Berufsolympiade 1988 in Sydney / Australien, wo er den 5. Platz belegte. Eine gute Voraussetzung, denn drei Jahre später bestand er die Meisterprüfung seines Handwerks in Düsseldorf und später auch in Raesfeld seine staatliche Prüfung als Restaurator. 


  • Leider hat die Großtante Luise Wirtz diesen Werdegang nicht miterlebt.
    Sie verstarb 1983, vier Wochen vor ihrem 80. Geburtstag. Sie war eine starke Persönlichkeit. Alleine hat sie 10 Jahre lang den Betrieb geleitet, als Frau in einer Männergesellschaft, zu der Zeit sehr ungewöhnlich, aber mit hervorragenden und treuen Mitarbeitern, in den letzten Entscheidungen aber doch auf sich allein gestellt.
    Karlheinz und Arnd Sondermann mit der Punktiermaschine

    1988 erhielt Karlheinz Sondermann einstimmig das Vertrauen der gesamten Vollversammlung in Duisburg (Obermeister) und wurde einstimmig zum neuen Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft von Duisburg gewählt.

    Auch hier gilt sein Hauptaugenmerk der Ausbildung, aber auch der Eingliederung sozial Benachteiligter in ein geregeltes Arbeitsverhältnis. U.a. ist auch das Berufsbildungszentrum (BZH) in Duisburg-Neumühl eine Stätte der Ausbildungsintegration (Meistervorbereitungslehrgänge, Umschulungen, Weiterbildungsseminare).

    Und wieder änderte sich in der Firmenleitung etwas. Jahrelang als Einzelfirma Wirtz und Sondermann geführt, wurde Arnd Sondermann 1994 Mitinhaber und ist seitdem als Betriebsleiter tätig.



    Somit sind 75 Jahre Firmen- und Familiengeschichte erzählt und niedergeschrieben worden, wobei auch ein Stück Duisburger Steinmetzgeschichte erwähnt worden ist, die von der Firma mitgeprägt wurde. Fast überall, ob am Rathaus, an Kirchen, Schloss Heltorf, Hochfelder Eisenbahnbrücke, Myriameter-Steine am Rheinverlauf, freischaffende Arbeiten wie Brunnen am Meidericher Bahnhof, Plastiken für das Niederrheinische Diakonissen-Mutterhaus, Baum des Handwerks vor der Kreishandwerkerschaft, Brunnenanlage vor der NWG und auch das Grabmalschaffen auf Bundes- und Landesgartenschauen muss mit eingebunden werden. Aber auch die Ausstellungen von Arnd Sondermann mit dem Schmuck-Designer Reißmann sind erwähnenswert. 

    Immer haben Menschen mitgearbeitet, die sich mit dem Betrieb identifiziert haben.

    Dankeschön


    An dieser Stelle sei allen ein "herzliches Dankeschön" gesagt, die mitgeholfen haben, dass eine Firma aus den kleinsten Anfängen heraus bis jetzt bestehen konnte und heute, am 14.10.2000, 75 Jahre alt ist.

    Ein Dankeschön auch an die Ehefrauen der Betriebsinhaber, die immer ein Stück der Verantwortung und auch der Sorgen mitgetragen haben.

    Die Zeitgeschichte läuft weiter!

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